Soziale Arbeit, distanzgemindert? Ein Plädoyer für systemische Irrelevanz

Marcus Beisswanger und Norman Böttcher

[zuerst veröffentlicht im Heft 6 des Distanz-Magazins]

Soziale Arbeit: System(transformations)relevant in der Corona-Pandemie?

Im Verlauf der Corona-Krise verbreitete sich nicht nur das Virus Sars-CoV-2 rasant. Viral gingen mit ihm zeitgleich Begriffe, die zuvor nur unter Expert*innen Gebrauch fanden. Doch nicht nur Triage, Inzidenzwert, FFP2-Maske oder Vektorimpfstoff zogen ein in den öffentlichen wie privaten Sprachgebrauch. Bemerkenswerterweise kehrten auch Begriffe zurück, die inzwischen wohl ohne Übertreibung zum terminologischen Kanon von Krisen gezählt werden dürfen. So wurde mit der Systemrelevanz ein Begriff reaktiviert, der zuletzt in der Weltfinanzkrise um das Jahr 2008 in Bezug auf ‚systemrelevante‘ Banken eine breite Verwendung gefunden hatte (Möhrs 2020). In der aktuellen Corona-Krise werden allerdings Erwerbstätige in bestimmten Branchen, wie den Pflege- und Gesundheitsberufen oder in der Lebensmittelversorgung, unter dem Begriff der „kritischen Infrastruktur“ zusammengefasst und als „systemrelevant” eingestuft (Deutscher Bundestag 2020). Wenn gesellschaftliche Krisenmomente nach Stapelfeldt (2004, S. 253) einen Anstoß zur Reflexion über zuvor unbewusste, unreflektierte Funktionsweisen der Gesellschaft geben, könnte die aktuelle Krise die Gelegenheit bieten, die Relevanz der Reproduktions- und Care-Arbeit für das gesellschaftliche Gesamtsystem sichtbar werden zu lassen. Dies wirft die Frage auf, ob sich aus der verschobenen Semantik der Systemrelevanz sogleich symbolische oder gar strukturelle Veränderungen der gesellschaftlichen Ordnung, also der neoliberalen Formation des Kapitalismus, ableiten lassen. Eine solche Verschiebung könnte bedeuten, dass nun die Bearbeitungsweisen dieser Krise nicht mehr, wie etwa in den Jahren ab 2007, primär in der Finanz- bzw. Zirkulationssphäre und damit in der erweiterten Produktion, sondern im Bereich der unmittelbaren Daseinsvorsorge angesiedelt sind. Im Zuge des Neoliberalismus wurde diese erweiterte Reproduktionssphäre immer stärker in die unmittelbare Wertschöpfung einbezogen und dabei rationalisiert. Die aktuelle Krise, so die Hypothese, stellt einen Umschlagsmoment und damit für die handelnden Akteure eine Grenzbearbeitung dar.

Wenngleich einige Teilaspekte der aktuellen Corona-Krise bereits ansatzweise sozialwissenschaftlich analysiert wurden (exempl. Hoppe et al. 2020; Stapelfeldt 2020; Seyd 2020), lassen sich diese strukturellen, d. h. politökonomischen und sozialpsychologischen Fragen gegenwärtig – also inmitten des Krisenverlaufs – allerdings noch kaum auf eine systematische Weise abschließend beantworten. Georg Seeßlen brachte das „Unbehagen in der Natur“ zur letzten Jahrestagung der Gesellschaft für psychoanalytische Sozialpsychologie (GfpS) mit der Fortdauer der Krise in Verbindung. Seine These lässt sich einem Tagungsbericht nach wie folgt zusammenfassen:

„Solange der Krisenzustand und die eigene Betroffenheit anhalten, fehle es an der nötigen Distanz, um die Geschehnisse kritisch auf den Begriff bringen zu können. Ohne diese Distanz sei es kaum möglich, sich des widersprüchlichen Verhältnisses zwischen individuellen Bedürfnissen und der gesellschaftlichen Realität bewusst zu werden. Konkret zeige sich das darin angelegte Unbehagen in individuell angestauten Aggressionen und Frustrationen.“ (Beisswanger, Heller & Hildebrandt 2021)

Dennoch finden notgedrungen beständig Bearbeitungsweisen dieser Krise statt, die sich aus konkreten Sichtweisen auf den Krisenzustand ergeben und zugleich fortwährend neue Perspektiven hervorbringen. Dabei kippt die Unzufriedenheit mit den Versuchen der Krisenbewältigung in Form von Kontaktbeschränkungen und Lockdowns schnell in populistische und emotional hoch aufgeladene Ressentiments, wie anhand der sogenannten Querdenker-Bewegung deutlich wird. Gleichzeitig sind kritische Initiativen aus dem Umfeld der Sozialen Arbeit bemüht, ihr Unbehagen an der Krisenpolitik in Form einer Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen zu kanalisieren. Um einen bisher wenig beachteten Teilaspekt aufzugreifen, fragen wir deshalb in diesem Beitrag nach dem Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, indem wir jene in den Blick nehmen, die unmittelbar mit der Bearbeitung der sozialen Folgen dieser Krise befasst sind: Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen.

Widersprüchlich erscheint dabei zunächst, dass im Gegensatz zur Weltfinanzkrise ab 2007 in der aktuellen Weltgesundheitskrise insbesondere solche Dienstleistungsberufe als systemrelevant gelten, die allgemein dem sozialen oder sogenannten Non-Profit-Sektor zugeordnet werden. Zwar wird dazu beispielsweise auch der fast schon ikonographisch dargestellte Kassierer im Supermarkt oder die Paketbotin gezählt, die den gegenwärtig expandierenden, profitmaximierenden Branchen zuzurechnen sind. Doch von systemrelevanten Banken wird in der Medienöffentlichkeit kaum gesprochen, während sich der Blick auf gering entlohnte oder auch unbezahlte Care- und Reproduktionsarbeit zu wenden scheint. Weil die Covid-19-Infektion unmittelbar gesundheitliche Auswirkungen hat, verwundert es kaum, dass sich die Scheinwerfer dabei auf den medizinischen und pflegerischen Sektor richteten, welcher politisch unbestritten mit dem Prädikat „systemrelevant“ versehen wurde. Mit leichter Verzögerung ließ sich dann auch in aktuellen Debatten der Sozialen Arbeit ebenfalls eine direkte Auseinandersetzung mit dem Begriff der Systemrelevanz beobachten.

Auffällig innerhalb der Debatten Sozialer Arbeit ist der Umstand, dass insbesondere jene sich selbst als liberal bezeichnenden Akteure, für die der Systembegriff theorieimmanent eine zentrale Position einnimmt, auf diesen Zug kaum aufspringen. Heiko Kleve (2020a) etwa bezieht sich in seinem Plädoyer für eine „liberale Soziale Arbeit“ explizit auf die Systemtheorie und affirmiert damit die kapitalistische Produktionsweise: Unter dem Begriff des „Systemliberalismus“ (ebd., S. 10) propagiert er, dass sich der Staat weitestgehend aus der Verantwortung zur Bewältigung sozialer Probleme herauszuhalten habe, um so „eine positive Beziehung von kapitalistisch-liberaler Wirtschaft und Sozialer Arbeit zu denken“ (ebd., S. 9). Mittels Sozialer Arbeit sollen „die Selbsthilfekräfte gestärkt“ (ebd., S. 8) und den Adressat*innen auf diese Weise zur Autonomie verholfen werden, sodass die Profession sich mittelfristig selbst überflüssig machen könne. Dabei bedient er sich einer in der Sozialen Arbeit inflationär verwendeten Formulierung, die auch bei Vertreter*innen einer kritischen Sozialen Arbeit häufig Verwendung findet. Diese Forderung, sich als Profession überflüssig zu machen, steht dabei nicht selten in Verbindung mit der Vorstellung, dass nach der Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft viele Angebote Sozialer Arbeit gar nicht mehr notwendig werden würden, sofern die Ursache für die Probleme dann behoben wäre. In Kleves Logik überrascht es hingegen kaum, wenn der phrasenhafte Appell der „Hilfe zur Selbsthilfe“ umkippt in einen affirmativen Bezug auf das Prinzip „Fördern und Fordern“ aus den SGB-II-Reformen, welches im Zuge der neoliberalen Sozialpolitik die staatliche Verantwortung zur sozialen Sicherung zugunsten von Selbstverantwortung und Selbstoptimierung unterminierte. Nicht nur der Aspekt, dass soziale Einrichtungen eben nicht wie private Unternehmen betrachtet werden können, die vermeintlich unabhängig vom Staatshaushalt profitorientiert wirtschaften, erscheint dabei problematisch. Auch die trügerische Vorstellung, die Hilfesuchenden als Kund*innen zu deklarieren, die selbstbestimmt ihren Bedürfnissen entsprechende Angebote auf dem Markt der sozialen Dienstleistungen einkaufen könnten, verdeckt das reale Ungleichheitsverhältnis zwischen Professionellen in der Sozialen Arbeit und ihren Adressat*innen, das weiterhin deutlich von einer – auch wechselseitigen – Abhängigkeit geprägt ist. In Bezug auf die Corona-Krise präsentiert Kleve in einem Podcast-Gespräch mit Hendrik Epe (2020) den Vorschlag, dass die Soziale Arbeit auch jetzt auf unternehmerische Kreativität und Risikobereitschaft zur Bewältigung der Krisenfolgen setzen müsse. Dies erscheint schon deshalb paradox, weil in der pandemiebedingten Wirtschaftskrise nicht nur das von Kleve propagierte Sozialunternehmertum, sondern auch gewinnmaximierende Branchen und Betriebe auf staatliche Zuschüsse wie kaum zuvor angewiesen sind. Dass sich gegenwärtig etwa die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zur Sicherstellung der sozialen Infrastruktur dringend um die Verlängerungen der staatlichen Rettungsschirme bemüht (BAG FW 2021), unterläuft faktisch den Mythos der von Kleve und anderen marktradikalen Apologet*innen verfochtenen Systemautonomie Sozialer Arbeit.

Demgegenüber bezieht sich der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) als Fachgewerkschaft mit der seit Frühjahr 2020 laufenden Kampagne #dauerhaftsystemrelevant affirmativ auf die Systemrelevanz der Sozialen Arbeit. In seiner Stellungnahme plädiert er dafür, die Angebote der Sozialen Arbeit, wie Jugend-, Wohnungslosen- oder Geflüchtetenhilfe, bei denen er eine Vernachlässigung in der medialen Berichterstattung erkennt, in der aktuellen Krise als ebenso bedeutsam und unabdinglich einzustufen wie die medizinische oder infrastrukturelle Grundversorgung. Da die gesellschaftlichen Anrufungen nach Kontaktbeschränkung und Einhaltung hygienischer Maßnahmen die Adressat*innen Sozialer Arbeit ungleich mehr belaste und auch ihr Infektionsrisiko deutlich höher liege, wodurch die Arbeitsbelastung der Professionellen in den Feldern Sozialer Arbeit merklich ansteige, appellieren sie

„an Medienverantwortliche, die Gruppe der systemrelevanten Berufe vollständig darzustellen und über die Soziale Arbeit und die Fachkräfte zu berichten. Ohne Soziale Arbeit ist unser soziales Netz nicht stabil. Für Sozialarbeiter*innen ist und bleibt sozialer Abstand keine Option. Soziale Arbeit ist dauerhaft systemrelevant […] – aber aktuell unsichtbar.“

In einer Fußnote wird zwar betont, dass „Systemrelevanz gleichzeitig auch Systemkritik und ‑veränderung“ im Rahmen einer „Umsetzung der Menschenrechte“ bedeute, was auf die Theorieposition einer „Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession” (Staub-Bernasconi 1995) hindeutet. Durch die terminologische Unbestimmtheit des DBSH-Appells sowohl hinsichtlich seiner Adressierung (der „Medienöffentlichkeit“) als auch der normativen Grundlage seiner Kritik in einem Staat, dessen Grundgesetz formal genau auf diesen einklagbaren Menschenrechten fußt, wird jedoch deutlich, dass mit der besagten Veränderung kein kategorialer system change in Bezug auf die bürgerlichen Rechtsverhältnisse intendiert ist (vgl. Anhorn et al. 2012, S. 18-20). Die tendenziell staatstragende Positionierung des DBSH wird auch anhand einer anderen Stellungnahme deutlich, in der er sich einer fiskalischen und staatsaffirmativen Argumentation anschließt, wonach Soziale Arbeit die Krisenfolgen auf der individuellen Ebene abzufedern und damit die Folgekosten zu reduzieren habe:

Wir appellieren an politische Entscheidungsträger*innen, die finanziellen Folgen der Krise nicht auf die Schwächsten unserer Gesellschaft abzuwälzen, sondern eine gerechte Sozialpolitik umzusetzen, denn: Investitionen in Soziale Arbeit sind Investitionen in unsere soziale, psychische und körperliche Gesundheit. Sie stellen sich langfristig sogar als günstiger für den Staat heraus, da gute Soziale Arbeit Menschen, die sonst das Gesundheitssystem und das soziale System belasten würden, aus ihren Krisen hilft und Entwicklungschancen möglich macht“ (DBSH 2020b).

Solche systemaffirmativ-sozialpartnerschaftlichen Positionen, die zugleich soziale Hierarchien reproduzieren, haben wiederum den Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Hamburg (AKS HH) dazu bewogen, eine dezidiert linke Kritik in Form eines „Zwischenrufs“ zu formulieren, wonach Soziale Arbeit stattdessen als „systemtransformationsrelevant“ verstanden werden sollte. Dabei scheint die Kennzeichnung der Stellungnahme als Zwischenruf nicht zufällig gewählt, suggeriert sie doch eine Störung der laufenden Debatte. Verständlich sei zwar, berufspolitisch die eigene Bedeutung zu betonen, relevant hinsichtlich der Reproduktion des neoliberalen Kapitalismus wolle man dabei allerdings nicht sein. Indem die Corona-Pandemie aufzeige, dass für immer mehr Menschen unter den gegenwärtigen Bedingungen die Existenzgrundlage schwinde, müsse die Soziale Arbeit als sozialräumliche und kollektive Infrastruktur begriffen werden, die im Sinne einer eigenen, kohäsiven Logik

„nicht zu weiteren Spaltungen beiträgt, sondern zu deren Überwindung. […] Es gilt, für eine progressive Praxis eine Alternative zur eigenen Systemrelevanz zu entwickeln. Dafür braucht es in neuer Qualität geöffnete Institutionen […], in denen sich die Menschen im Sozialraum begegnen, sie sich inhaltlich mit der aktuellen Situation auseinandersetzen, die Verhältnisse kritisch reflektieren und gemeinsame Lösungen entwickeln. Das setzt eine aktive, konstruktive Teilhabe und eine gewisse Konfliktbereitschaft voraus. […] Es geht also um gemeinsame Aufgabenbewältigung. Seien wir systemtransformationsrelevant und lasst uns die Krise nutzen, um alternative Ideen und Praxen zu entwickeln!“ (AKS HH 2020, Hervorh. i. O.)

Der hier neokommunitaristisch argumentierende AKS HH versucht die Systemtransformation darüber zu konkretisieren, dass das aus seiner Kritik resultierende, neue soziale Ordnungsmuster stärker aus Perspektive der Nutzer*innen Sozialer Arbeit zu denken wären. Deutlich wird auch, dass hierfür die Krise als Chance zu ebenjener Transformation begriffen werden soll.

Gesellschaft als Zwangssystem

In Bezug auf die Begriffe Systemrelevanz und Systemtransformationsrelevanz wird deutlich, „dass das, was wir uns begrifflich unter diesen vorstellen, nicht alles ist“ (Schäfer & Thompson, 2010, S. 142). Sie verdecken etwa die Interessen der Akteur*innen, die sich dieser Begriffe bedienen, und das in ihnen fortlebende „Gesellschaftlich-Unbewusste“ (Stapelfeldt 2004, S. 45). Da in beiden Formulierungen der Begriff nicht identisch gesetzt wird mit dem bezeichneten Gegenstand, ‚dem System‘, stellen sie einen Versuch dar, Kritik an den realen gesellschaftlichen Widersprüchen zu formulieren, die sogleich die eigene Position reflektieren soll. Die in beiden Begriffen angelegte semantische Spannung verweist dabei zugleich auf den Widerspruch zwischen Individuum und Gesellschaft, wie er sich gerade bei der Problem- und Standortbestimmung von Kritik offenbart. Zur Frage der Normativität beim Abgleich zwischen dem Gegenstand und dem „Begriff der Sache“ bemerkt etwa Jürgen Ritsert (2009, S. 162), dass Kritik weder „affirmative[] Indifferenz“ noch reine Sprachkritik bedeute. Die Immanenz der Begriffe führe dazu, dass sie

niemals der Sache Genüge tun, die mit ihrer Hilfe bestimmt werden soll. […] Also kann das kritische Verfahren – anstelle starrerer Schemata und Raster – nur darin bestehen, den wissenschaftlichen Sinn für Merkmale und Möglichkeiten offen zu halten, welche ein bestimmtes Begriffs- und/oder Aussagensystem nicht erfasst hat (Nichtidentität). So kann man das ‚Messen der Verhältnisse‘ an ihrem Begriff auch verstehen.“ (Ebd.)

Wir wollen im Folgenden am Beispiel der System(transformations)relevanz aufzeigen, in welchem Rahmen sich die Kritik der dargestellten Akteure Sozialer Arbeit bewegt und welche Möglichkeiten durch diese kritisch intendierten Begriffe verschlossen bleiben. Wenn Soziale Arbeit, das Kassieren im Supermarkt oder Pflegeberufe gleichermaßen als systemrelevant eingestuft werden, sollte dabei zunächst die Funktion des System-Begriffs analysiert werden, um von dort aus die zugrundeliegenden und durch sie verdeckten gesellschaftlichen Widersprüche zu hinterfragen.

Sowohl die dezidiert neoliberale Position Kleves als auch die auf Silvia Staub-Bernasconis Theoriekonzept der Menschenrechtsprofession rekurrierende des DBSH nehmen mit dem System-Begriff in unterschiedlicher Weise Bezug auf die Systemtheorie. Entgegen eines solch affirmativen Verständnisses, dessen ‚kritischer‘ Gehalt, sofern er überhaupt proklamiert wird (vgl. Möller und Siri 2016), sich darin erschöpft, im Übergang von einem starren zu einem dynamischen Systembegriff die Selektions- bzw. Exklusionsmomente zugleich auch als Inklusionsmomente (und damit funktional in Bezug auf den Selbsterhalt des Kollektivzusammenhangs) zu begreifen (zur Kritik: Cremer-Schäfer 2001), verstehen wir die Gesellschaft in negativer Weise als „kollektive[n] Zwangsmechanismus“ (Adorno 1979, S. 12). Sie ist – im Gegensatz zum funktionalistischen Systembegriff – „nicht in sich rational kontinuierlich“ (ebd., S. 9), sondern beschreibt eine in sich antagonistische Totalität. Daher kann auch der Systembegriff wiederum in diesem Zusammenhang nur in einem negativen Sinn, also zur Darstellung einer falschen Systemlogik, nutzbar gemacht werden: „Als antagonistische ist die Gesellschaft alogisch, d. h. sie ist nicht einstimmig im Sinne der widerspruchsfreien Logik darzustellen, sondern eben im Sinn der zu ihrem Wesen gehörigen Irrationalität, d. h. eben dem antagonistischen Charakter. […] Es geht buchstäblich umso irrationaler zu, je rationaler es wird“ (Adorno 2003a, S. 128). Beim Systembegriff handelt es sich also nicht, wie etwa die Systemtheorie annimmt, nur um einen neutralen, d. h. vom Gegenstand abtrennbaren Ordnungsbegriff, der der betrachtenden Person bei ihrer Systematisierung hilft, sondern um einen, dessen Ordnung „in der Sache selbst steckt“ (Adorno 1993, S. 77). Das wiederum bedeutet, dass die Logik dieses Systems, seine vermeintliche Wesensnotwendigkeit, nicht von der Notwendigkeit getrennt werden kann, in welcher Weise über dieses Wesen nachgedacht werden kann: Die eigene individuelle Ge- und Befangenheit innerhalb dieser gesellschaftlichen Totalität ist gleichermaßen Movens wie Hindernis, sich über dieses System Gedanken zu machen und sich gewissermaßen über es hinwegsetzen zu müssen. Der Versuch, die Logik des Systems zu durchbrechen bzw. zumindest die Brüche in seiner Logik ausfindig und sichtbar zu machen, verleiht damit – quasi aus Eigeninteresse – jenen, die unmittelbar an ihm leiden, zunächst einen priorisierten Erkenntniszugang. Allerdings leben wir mit Blick auf den besagten Zwangscharakter „in einer Totalität, die die Menschen nur vermöge ihrer Entfremdung zusammenschließt“ (ebd., S. 77f.), so dass die ‚Funktionslosen‘ aufgrund ihres Leidens zugleich am meisten vom möglichst reibungslosen Funktionieren des (Hilfe‑)Systems abhängig sind. In einer historisch einschneidenden Situation wie der gegenwärtigen, in welcher die Corona-Pandemie die Nationalökonomien in eine Krise stürzt, „die die Weltfinanz- und Weltwirtschafts-Krisis 2007/08 ff. deutlich übertrifft“ (Stapelfeldt 2020, S. 5), verschärfen sich die gesellschaftlichen Widersprüche ebenfalls um ein Vielfaches: Gewalt greift noch stärker als sonst um sich; restriktive und repressive Maßnahmen des Staates werden trotz teils berechtigter Kritik und gegen den rechten und ‚querdenkenden‘ Widerstand erweitert; Armutslagen verschärfen sich unter Bedingungen, in denen verhältnismäßig weniger öffentliche und infrastrukturelle Ressourcen zu ihrer Bewältigung bereitstehen. Frauen*häuser, Obdachlosen- und Geflüchtetenunterkünfte sowie zahlreiche andere, soziale Einrichtungen, die aufgrund der Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln ihre Kapazitäten auf ein Minimum zu reduzieren haben, erleben die Entfremdung der Menschen nun nicht mehr als Zusammenschluss in dem Sinne, dass sie nicht anders können, als sich gegenseitig auf den Leib zu rücken (vgl. Adorno 2003b, S. 45). Manifeste soziale Ausschließung, d. h. Menschen, die vor den Türen der Einrichtungen erfrieren oder in Situationen von häuslicher Gewalt gefangen sind, weil sie nirgends sonst eine Zuflucht finden, ist zentrales Charakteristikum aktueller Entfremdungsphänomene unter der Anrufung des social distancing. Die Brüchigkeit der Logik des Systems wird an den Rändern seiner Öffentlichkeit sichtbar, die diese eben nicht mehr zu integrieren vermag. Und die Grenzen dieser Systemlogik halten mit dem „Nichtidentischen“, wie es Ritsert (2009, S. 169) umreißt, eben nicht nur progressive Möglichkeiten offen: Die Risse der vermeintlichen Totalität können immer auch im negativen Sinne die Bruchstellen des zivilisatorischen Fortschritts aufdecken.

Soziale Arbeit in der Krise: Dauerhaft distanzgemindert?

Die gegenwärtig offenliegenden, gesellschaftlichen Widersprüche lassen für die Soziale Arbeit eine Situation entstehen, in der es einerseits wie kaum zuvor möglich erscheint, diese Widersprüche auf den Begriff zu bringen und die eigene Kritik einer breiten Öffentlichkeit darstellbar zu machen – einer Öffentlichkeit, deren Mitglieder die unmittelbar erfahrbaren Widersprüche aktiv ausblenden müssten, weil auch in der medialen Berichterstattung beispielsweise über die Zunahme von häuslicher Gewalt oder der Zahl der Kältetoten berichtet wird. Indem Soziale Arbeit unmittelbar in der Bearbeitung der stark zunehmenden, sozialen Probleme gefordert ist, wird im Krisen- und Überlastungsmodus allerdings eine reflexive Distanzierung vom Alltagsgeschäft noch schwieriger als sonst. Und das in doppelter Hinsicht: Weder die physische Distanz zu den Nutzer*innen ist möglich, ohne dass dabei das professionelle Selbstbild Schaden nähme, noch sich aufgrund desselben von den gesellschaftlichen Anrufungen zu befreien. Was hindert nun die Soziale Arbeit daran, diese gesellschaftlichen Widersprüche wirklich nutzbar machen zu können? Während – wie anhand der Stellungnahmen vom DBSH und AKS HH ersichtlich – den Akteuren der Sozialen Arbeit diese Widersprüche bewusst sind, wenn sie beim Blick auf die Lebens- und Versorgungslage der Adressat*innen als soziale Probleme markiert werden, scheint die eigene Position innerhalb dieses widersprüchlichen Verhältnisses deutlich weniger klar.

Gegenüber dem Mythos der liberalen Systemunabhängigkeit fällt an der stark berufspolitisch argumentierenden Position des DBSH hinsichtlich der Systemfrage auf, dass sie in der dauerhaft professionellen Bearbeitung der Krise durch Sozialarbeiter*innen – selbst dort, wo sie sich auf Systemveränderung bezieht – noch eine Stabilitätsabsicherung für „unser soziales Netz“ (DBSH 2020) anvisiert. Im einseitig positiven Bezug auf das System steckt nicht nur ein harmonisch-kohäsiver Gesellschaftsbegriff, sondern sogleich (zumindest unbewusst) ein Verständnis von Sozialer Arbeit als Herrschaftssicherung, die sogleich für ihre Nutzer*innen zum Erhalt des (Hilfe‑)Systems beiträgt. Nun ist diese Rhetorik nur vor dem Hintergrund der Interessenpolitik, d. h. der Ressourcenknappheit im Reproduktionsbereich, der Abhängigkeit der Sozialverbände von staatlichen Finanzmitteln und konkret der systemischen Eingebundenheit des DBSH als Berufsverband und ‑gewerkschaft in die staatlichen Strukturen zu verstehen (etwa bei Tarifkommissionen oder Expert*innenrunden zu Gesetzesreformen). Die Position des DBSH spiegelt somit idealtypisch eine sozialreformerische (bzw. traditionell sozialdemokratische) Kritikposition wider, die sich schon längst mit den Verhältnissen gemein gemacht hat, die sie nur symbolisch-appellativ, quasi wörtlich in der Fußnote zu verändern vorgibt.

Anders verhält es sich mit dem Versuch des AKS HH, eine radikalere, systemverändernde Position in die Debatte einzubringen. Dass dessen Stellungnahme mit dem Begriff des Systems spielt, indem sie ihn durch die Erweiterung um den Begriff der „Transformation“ in ihrem Kern zu verschieben versucht, verweist bereits auf eine Form immanenter Kritik, welche sich mit den im System zur Verfügung stehenden Mitteln und seiner inneren Logik nicht ganz zufriedengibt und sich davon abzugrenzen versucht. Dass dabei allerdings nicht der Begriff des Systems als solcher kritisiert, seziert und auf seinen Sinngehalt hin analysiert, sondern durch einen Gegenbegriff ersetzt wird, lässt nicht nur auf eine verkürzte Form der Begriffsarbeit, sondern eben auch auf die besondere Bedeutung schließen, die der Sprache im Kontext von Gesellschaftskritik beigemessen wird. Einen Ansatzpunkt, die praktische in eine gesellschaftstheoretische Kritik zu überführen, sieht der AKS HH im Arbeitsbegriff:

„Mit dem Begriff der Systemrelevanz ist die Frage aufgeworfen: Was ist gesellschaftlich relevante Arbeit? Die gegenwärtige Krise betrifft alle und wir als in der Sozialen Arbeit Tätigen sollten es darauf anlegen, progressiver aus ihr ‚rauszugehen‘ als wir ‚reingegangen‘ sind. Deshalb: system-überwindungs-relevant statt system-erhaltungs-relevant. Wir schlagen daher vor, den präziseren Begriff der „Systemtransformationsrelevanz“ als Maßstab für die grundlegende Veränderung aller gesellschaftlichen Sphären in Richtung auf Kooperation und Emanzipation zu nehmen.“

Bemerkenswerterweise bleibt dabei die Frage, was gesellschaftlich relevante Arbeit sei, im weiteren Verlauf der Stellungnahme unbeantwortet. Zwar wird im darauffolgenden Abschnitt vage auf die bedrohte „gesellschaftliche Infrastruktur, kollektive und öffentliche Güter“ hingewiesen, die als notwendig erachtet werden, um ein „gutes Leben“ zu realisieren. Anstelle einer Antwort auf die Frage wird einerseits auf politische Akteure (Parteien, Gewerkschaften und soziale Bewegungen) verwiesen, andererseits dringend angeraten, „in unserem beruflichen Handeln die Perspektive der Systemtransformation als Handlungsorientierung immer im Blick [zu] behalten.“ In diesem Gedankensprung, der von der Reflexion der eigenen (Lohn‑)Arbeit absieht, deutet sich die Schwierigkeit an, die Soziale Arbeit in der bestehenden Krise als Politik oder „Pädagogik des Sozialen“ (Kunstreich 1994) bzw. „Arbeit am Sozialen“ (Kunstreich & May 1999) zu entfalten. Im voreiligen Gegenentwurf einer systemtransformationsrelevanten Sozialen Arbeit, die sich nolens volens auf die richtige, die ‚soziale‘ Seite der Arbeit stellt, wird eine Kritikposition eröffnet, die einen ‚konstruktiven‘ Vorschlag vom eigenen Standpunkt aus präsentieren will. Eine wertkritische Analyse dieses Arbeitsbegriffs, wie sie etwa von Postone (2003) entwickelt wurde, kann an dieser Stelle zwar nicht geleistet werden. Für die hier behandelte Frage ist jedoch ohnehin nur entscheidend, dass es für den AKS HH wie auch für kritische Praktiker*innen im Allgemeinen in Anbetracht gegenwärtiger sozialer Verwerfungen kaum vorstellbar scheint, sich von der Unverzichtbarkeit dieser gesellschaftlich notwendigen Sozialen Arbeit (gedanklich) zu distanzieren, was das Sichtfeld des „Maßstab[s] für die grundlegende Veränderung“ (AKS HH 2020) deutlich einschränkt. Eine Kritik an der Systemrelevanz Sozialer Arbeit kann kaum die Relevanz dieser gesellschaftlich notwendigen Arbeit als solche bestreiten, sofern die Bezugsgröße dieser Kritik stets dieses System zu sein hat. Während bei Marx der Begriff der „gesellschaftlich notwendigen Arbeit“ untrennbar mit der jeweiligen gesellschaftlichen Formation, also dem Kapitalismus mitsamt seiner Logik der Verwertung des Werts verbunden ist, wird vom AKS HH die Soziale Arbeit als Arbeit begriffen, von welcher aus, einem Brandbeschleuniger im Sinne einer konfliktorientierten Zuspitzung gleich, dieses System überwunden werden könne. Dies verkennt, dass im Marx’schen Arbeitsbegriff das durch diese Arbeit fetischisierte Bewusstsein „notwendig“ am Gegenstand klebt. Hingegen ist bei Sozialarbeiter*innen dieser Kitt i. d. R. notwendig stärker, da ihr Selbstbild, als Löser*innen sozialer Probleme zu fungieren und Menschen in Not zu helfen, was in systemaffirmativen Fachkreisen gern in der Metapher des Feuerlöschers beschrieben wird, insbesondere in Krisenzeiten quasi unerschöpfliche Anrufungen erfährt: Die Entfremdung vom ‚Produkt‘ sozialer Dienstleistungen – d. h. dem gelingenden Leben der Adressat*innen Sozialer Arbeit – ist kaum im selben Maße möglich wie etwa vom Industrieprodukt. Wenn jedoch keine Distanzierung von der vermeintlichen oder tatsächlichen Notwendigkeit der erbrachten Arbeit geschieht oder sie schlicht nicht möglich erscheint, dann bleibt entweder die Option, auf die Grenzen und immanenten Widersprüche der kapitalistischen Verwertungslogik hinzuweisen, was der AKS HH mithilfe einer Brennglasmetapher unternimmt: Die Pandemie mache „nun zugespitzt deutlich, dass diese Art der gesellschaftlichen Reproduktion notwendigerweise die Existenzgrundlage für immer mehr Menschen immer prekärer macht.“ Oder aber es wird ein Umweg über eine andere Logik bzw. den Sprung in eine externe Perspektive gesucht. Gegenüber der trennenden und instrumentellen Konkurrenzlogik wird (ganz im Habermas’schen Sinne) vom AKS HH versucht, eine eigene, verbindend-kommunikative zu entwerfen, die der Sozialen Arbeit selbst näherstehe und für die sie eine Ressource darstellt:

„Soziale Arbeit als Infrastruktur-Angebot, das auf die Unterstützung und Erhaltung aller gesellschaftlich wichtigen Kompetenzen und Tätigkeiten zielt – Pflege und Kindererziehung, aber auch künstlerische, sportliche und kulturelle Tätigkeiten –, wird in und nach der Krise beweisen müssen, dass sie nicht zu weiteren Spaltungen beiträgt, sondern zu deren Überwindung.“

Soziale Arbeit ist hier also nicht mehr die Arbeit am Widersprüchlichen des Sozialen, sondern einseitig aufgelöst in Sorge- und emanzipatorische Bildungstätigkeit. Das in Bezug auf soziale Probleme wirksame Allzuständigkeitspostulat dient hier nicht etwa dazu, sich von politischen Anrufungen und Zugriffsweisen abzugrenzen, um die ohnehin mehr als prekär ausgestattete soziale Infrastruktur nicht weiter zu strapazieren, sondern primär zur Selbstlegitimation der Berufsidentität: Da Soziale Arbeit quasi überall zuständig ist, kann sie, so die Annahme, sinnvoller Weise auch überall auf einen politischen Transformationsprozess hinwirken.

Doch wie sieht diese andere Logik aus und wie kommt sie zustande? Die früher noch sozialpolitischen und später zu jenen der kritischen Sozialen Arbeit umbenannten Arbeitskreise stehen in der Tradition der Neuen Sozialen Bewegungen der 1960er und 70er Jahre. Sie erleben seit der letzten Weltfinanzkrise um 2008 ein Revival (vgl. Steinacker 2013). Aufgrund der eigenen Geschichte ist ihnen ein Selbstverständnis entwachsen, welches die bis in diese sozialreformerische und kulturrevolutionäre Phase der Bundesrepublik vorherrschenden, disziplinierenden und sozialintegrativen Vorstellungen des Berufsfeldes sukzessive durch ein solidarisch-parteiliches ablöste. Die neue Logik, welche nicht mehr nur für die, sondern in einer wechselseitigen Konstitution mit den Nutzer*innen Sozialer Arbeit ein „transversales Handlungsmuster“ für den Hilfeprozess zu gestalten versucht, „welches quer zu den herrschenden Institutionen liegende[] Kommunikations- und Kooperationsgeflechte” (Kunstreich 2001, S. 409) meint, findet sich auch im „Zwischenruf“ des AKS HH. Der letzte Abschnitt endet damit, dass es

„kritische und solidarische Mitarbeiter-Teams [brauche], die sich organisieren. Und wenn nötig die aktuell geltenden Regeln aus guten Gründen brechen und alternative Handlungsweisen erfinden, um in den veränderten Situationen Lösungen zu entwickeln, die für möglichst alle Beteiligten eine echte Chance und Neuorientierung ermöglichen. Wir sollten uns wieder stärker daran orientieren, was unsere Nutzerinnen und Nutzer brauchen und wollen. Es geht also um gemeinsame Aufgabenbewältigung.“

Selbst wenn die Perspektive der betroffenen Nutzer*innen bei der gemeinsamen Aufgabenbewältigung stärker „repräsentiert“ wäre, viel mehr als eine differenziertere Aussage über ihre Lebenslage wäre damit kaum verbunden. Zudem bleibt an dieser Stelle unklar, welche Aufgaben hier gemeinsam bewältigt werden sollen: die der gelingenden Lebensbewältigung im Krisenmodus der Pandemie oder gleich die der Systemtransformation? Die Grundannahme, dass ausgerechnet die Adressat*innen Sozialer Arbeit, die dem täglichen Kampf ums Überleben häufig wie kaum jemand sonst ausgesetzt sind, eine privilegierte Position zur Formulierung einer transformatorischen Kritik der Gesellschaft innehaben sollen, birgt das Risiko, ihre Perspektive für die eigenen Emanzipationshoffnungen zu instrumentalisieren. Dieser Aspekt wird noch verstärkt durch die implizite Annahme, dass die Nutzer*innen selbst per se an einer emanzipatorischen Systemtransformation Interesse zeigen würden, diese grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse also auch „brauchen und wollen“ (AKS HH 2020). Dieser Gedankengang unterliegt in zweifacher Weise einem logischen Sprung: Zum einen, indem vom realen Subjekt in einer Form abstrahiert wird, die es in einer idealisierten Vorstellung auflöst. Zum anderen wird durch die Ausblendung der Systemzwänge sozialarbeiterischer Praxis die eigene Position in eine Stellung gebracht, der nur dadurch mit Blick auf das Ganze, die gesellschaftliche Totalität, eine transformatorische Kraft zugeschrieben werden kann. Die Rede von einer als Chance zu begreifenden Krise (zur Kritik: Dörre 2020) ist vielmehr Ausdruck einer Ohnmacht als ihrer realen Bewältigungsoptionen. Die auf theoretischer Ebene vollzogenen Umwege des AKS HH, der in subjektivistischer Wendung eine Systemtransformation von unten versucht, müssen dabei selbst als verstellte Vermittlung von Individuum und Gesellschaft begriffen werden. Das Vermittlungsproblem wird unter Absehung von der gesellschaftlichen Realität mit einem Satz nach vorn – in die ‚kritische‘ und solidarische, sozialpädagogische Praxis – zu überwinden versucht und zurrt dabei die eigene Verstricktheit nur noch enger, indem sie sich primär in den Dienst der imaginierten Anderen, also der Adressat*innen stellt. Dieser theoretische Distanzmangel ist nur die Verdopplung einer Realitätsabwehr, die die eigenen Maßstäbe sowohl in Richtung der Anvertrauten als auch der eigenen Wirkmacht innerhalb ‚des Systems‘ aus den Augen verloren hat. Dieser distanzgeminderte Versuch, der Ohnmacht zu entfliehen, ist dabei allerdings kein Ausdruck von Dummheit, sondern aufgrund des Handlungserfordernisses der Sozialen Arbeit wiederum systemimmanent – mehr denn je in einer Krise, welche sie als professionelle Löserin sozialer Probleme adressiert, deren Status sie sich in den letzten Jahrzehnten erst mühsam zu erkämpfen hatte. Soziale Arbeit wäre keine, würde ihre Theoriebildung sich selbst nicht immer auch zugleich als Reflexion begreifen, die in dieser Praxis ihren Ausgangspunkt hat. Das ist nicht despektierlich zu verstehen, entzieht ihr doch die Konfrontation mit dem Elend häufig jeglichen idealistischen Schein, der anderen wissenschaftlichen Disziplinen so oft zu eigen ist.

Societal Distancing – Ein Plädoyer für systemische Irrelevanz

Wie lässt sich nun aber ein Ausweg aus der besagten Ohnmacht finden, ohne sogleich die kritische Distanz zur Gesellschaft aufzugeben, die auch in der Krise notwendig bleibt? Wie müsste also solch eine Kritik beschaffen sein, die nicht das antagonistische Moment durch die Affirmation ihrer Begriffe verdeckt und dabei selbst nicht irrelevant bleibt? Trotz der semantischen Spannung, die mit dem Begriff der Systemtransformationsrelevanz erzeugt werden soll, verdeckt und verdrängt dieser doch nur die gesellschaftlichen Antagonismen. Die Vorstellung einer Systemtransformation, bei der das Moment von Selbstreflexion und ‑distanzierung ausbleibt, gleicht dann mehr dem Versuch eines Systemupdates, bei dem die Prozesse nur optimiert anstatt grundsätzlich in Frage gestellt werden. Eine theoretische Reflexion, die Gesellschafts– durch Systemkritik ersetzt, verfängt sich selbst in der Betriebsamkeit, aus der sie sprunghaft auszubrechen versucht. In dem, was ihr als Begriffsarbeit gilt, verdoppelt sie lediglich die sowohl ohnmächtige als auch kritisch intendierte Praxis und weist sie nolens volens als transformierenden Zwischenruf aus. Dabei wäre eine Fokussierung auf praktische Transformation dezidiert von der Intervention zu unterscheiden. Während die Intervention als ‚Eingriff‘ in das Bestehende, also ganz im Sinne Benjamins (2010) als Notbremse für laufende Prozesse verstanden werden müsste, bringt der Transformationsbegriff, indem er am Horizont immer schon auf eine andere Ordnung verweist, primär eine Veränderung dieser Prozesse mit sich, ohne sie jedoch unterbrechen zu wollen. Es wäre stattdessen also zunächst am disruptiven Moment der Intervention festzuhalten, eben weil sie (zunächst) keine konstruktive Lösung in Hinblick auf den kapitalistischen Normalvollzug bietet. Diese Unterbrechung soll allerdings nicht heißen, dass die sozialpädagogische – und erst recht nicht die ‚kritische‘ – Praxis ausgesetzt werden könnte, ohne die sich das Elend im gegebenen Krisen-Modus ins Unermessliche steigern würde. Sie sollte nur aufhören, sich selbst und ihr Gegenüber noch dadurch zu überfordern, dass sie dem Negativen noch etwas Positives abzugewinnen versucht, was letztlich den krisenbedingten Bruch in der Ordnung nur verdeckt.

Bevor also die handlungsleitende Frage einer kritischen Praxis überhaupt gestellt werden kann, müsste zunächst die gegenwärtig akute Brüchigkeit der scheinbar total integrierten Gesellschaft und ihres doppelt integrierten Individuums – das ins Kollektiv eingegliedert wird und das seine Prinzipien in der Subjektstruktur verinnerlicht hat (Adorno 1979, S. 18) – als narzisstische Kränkung reflektiert werden: Der ernüchternden Erkenntnis, doch nicht im erhofften Maße relevant für die Transformation des Systems, also eben doch ‚nur‘ systemrelevant zu sein, was sich schlecht mit einem kritischen Selbstverständnis vereinbaren lässt, läge wiederum die tiefere Einsicht zugrunde, als Sozialarbeiter*in qua eigener gesellschaftlicher Stellung keinen ausreichenden politischen Einfluss zu haben. Dass Soziale Arbeit etwa in der öffentlichen Wahrnehmung mitunter in gleicher Weise marginalisiert wird wie ihre Adressat*innen, hat in Referenz auf den DBSH nicht nur aufmerksamkeitsökonomische Gründe. Vielmehr noch liegen sie in der patriarchalen Abwertung des Reproduktionsbereichs und den Erkenntnisgrenzen, die die Trennung von Hand- und Kopfarbeit mitsamt ihrer sozialen Hierarchisierungen ‚notwendig‘ mit sich bringen. Der Frage, wie sich (nicht nur) aus berufspolitischer Perspektive eine Bedeutsamkeit überhaupt denken, geschweige denn realisieren ließe, in der die gesellschaftlichen Strukturmaximen transzendierend gedacht werden, müsste zunächst eine radikale Selbstreflexion vorgeschaltet werden, die sich die eigene Abhängigkeit und Befangenheit einzugestehen vermag. Der Anspruch, systemtransformationsrelevant zu sein, lässt sich dabei überhaupt nur denken in bestimmten gesellschaftlichen Funktionsbereichen und qua dieser Verstricktheit. Während etwa die staatliche Administration oder der privatwirtschaftliche Dienstleistungssektor, der den Umgang mit den ‚Klient*innen‘ bzw. ‚Kund*innen‘ per se als Verwaltungsakt begreift, gar keinen normativ-positiven Begriff zu entwickeln vermögen, welcher qualitativ über die bestehende Systemlogik kapitalistischer Vergesellschaftung hinausweist, übersetzt sich im Reproduktionsbereich (und v. a. in den Arbeitsfeldern Sozialer Arbeit) das Kapitalverhältnis dialektisch vermittelt in jenes von Hilfe und Kontrolle (Hünersdorf 2010): Sozialpädagog*innen befinden sich immer zugleich aufseiten jener, die im kapitalistischen Verwertungsprozess ihre Arbeitskraft – mehr oder weniger erfolgreich – bereitzustellen gezwungen sind, als auch aufseiten des Kapitals resp. des Staates, in dessen Auftrag sie die Integrationsleistung zu erbringen haben. Diese Dialektik ermöglicht überhaupt erst die besagten transformatorischen Öffnungsmomente. Die seit Beginn der Krise des Fordismus in den 1970er Jahren sukzessiv zugenommene Delegation von immer mehr Aufgabenbereichen an die Soziale Arbeit, wie sie sich im Allzuständigkeitspostulat manifestiert, verschleiert jedoch durch staatliche Verantwortungsübertragung (resp. professioneller ‑übernahme) bei rationalisierter Mittelvergabe eben jene Abhängigkeit – sowohl vom Souverän als auch von den systemisch bedingten Krisen. Vor dem Hintergrund der neoliberalen Umstrukturierung, ihrer inneren Landnahmen (Dörre 2009) im Reproduktionsbereich und der einhergehend vermeintlichen „Normalisierung“ Sozialer Arbeit seit den 1980er Jahren (vgl. Wagner 2011) wäre klassentheoretisch ihr Aufstieg in immer mehr gesellschaftlich relevante Funktionsbereiche zu reflektieren. Die Crux liegt hierbei in Anlehnung an Adorno (1979, S. 388-391) eben darin, dass sich seitens der Sozialarbeiter*innen nicht automatisch mit der Akkumulation von Herrschaftswissen und mit dem materiellen Potential, das sie durch ihre politische wie ökonomische Bedeutung erlangen, sogleich eine Aussage über ihr reales, gesellschaftspolitisches Potential zur Systemtransformation getroffen ist. Durch die Anhebung des eigenen Lebensstandards und ihren gesellschaftlichen Statusgewinn, durch den sie sich zunehmend (auch in sprachlicher Hinsicht) von der Lebenswelt der Nutzer*innen entfernen, verfallen sie sogleich noch stärker dem Trugbild der Autonomie. Nun bringt die Corona-Krise für Sozialarbeiter*innen eine Situation hervor, in der unter erhöhter gesellschaftlicher Anrufung nicht nur eine neuartige Konkurrenz um Ressourcen und symbolischen Status zwischen den verschiedenen Sektoren im Reproduktionsbereich, sondern durch die geteilte Erfahrung, als systemrelevant im System eingeschlossen zu sein, zugleich eine verschärfte Ausschließung jener entsteht, die eben nicht als funktional für den Systemerhalt gelten. Zugleich sind es diese gesellschaftlich marginalisierten und ‚irrelevanten‘ Adressat*innen, ohne die Soziale Arbeit selbst überhaupt nicht existieren könnte, auf die sie also ‚systemisch‘ angewiesen ist, was das zwiespältige Verhältnis der systemisch bedingten Distanzminderung umreißt. Der in der Systemtransformationsrelevanz manifestierte, logische Umweg des AKS HH impliziert – gleich der Systemrelevanz des DBSH – einen kohäsiven Gesellschaftsbegriff und muss als Kompromissbildung verstanden werden: Er symbolisiert im Abhängigkeitsverhältnis eine Positionsbestimmung, bei der die Soziale Arbeit zwischen Selbstlegitimation und ‑verleugnung oszilliert, ohne sich dabei (entgegen dem professionellen Auftrag) ‚selbst überflüssig machen‘ zu wollen.

Dieses schwierige Nähe-Distanz-Verhältnis hat durch die akute und potenziell fast jede*n betreffende Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit in der Corona-Krise zudem eine leibliche Seite, auf der sich das Unbehagen mit der physischen und sozialen Natur einschreibt.

„Wenn darin [in der Negativen Dialektik] Nichtidentisches namhaft gemacht wird, betrifft es immer die Physis, an ihr allein erkennt das Bewusstsein, dass es unaufhebbar das eines Einzelnen ist. Das Individuum erfährt, was sein Begriff bedeutet: unteilbar zu sein, auch wenn Gesellschaft immer perfekter darin wird, alles teilbar zu machen, damit das Kapital sich verwertet. Der Leib ist so gesehen auf der Ebene des individuellen Lebens, was die Krise auf der Ebene des gesellschaftlichen darstellt“ (Scheit 2011, S. 19f.).

Wie also die gesellschaftliche Krise als vermeintlich äußerliche doch nur anzeigt, dass die Menschen als Getrennte aufs Engste miteinander verbunden sind, dass sich also das Soziale vielmehr als das Antisoziale entpuppt, erweisen sich auch die gut gemeinten Appelle, physical distancing sei mit social distancing nicht zu verwechseln, mit Blick auf die Nutzer*innen Sozialer Arbeit als Trugschluss. Während Adorno (2003b, S. 45) für den Fordismus noch festhielt, die Entfremdung an den Menschen erweise sich „gerade daran, dass die Distanzen fortfallen“, da sie sich „mit Geben und Nehmen, Diskussion und Vollzug, Verfügung und Funktion immerzu auf den Leib rücken“, werden die durch Lohnarbeit nicht verwertbaren Körper nun unter einem Zwang getrennt, der ihnen wie allen kritischen Beobachter*innen ihre gesellschaftliche Desintegration wie einen Spiegel vor Augen hält. Ob in Frauenhäusern, Obdachlosen- oder Geflüchtetenunterkünften: Waren die gedrängten Verhältnisse zuvor bereits Ausweis ihrer Entmenschlichung, wird ihre öffentliche Sichtbarkeit aufgrund der Unmöglichkeit, sich in den privaten Raum zurückzuziehen, nun zur generalpräventiven Sozialdisziplinierung, die den Restlichen in einer Krise, ‚die uns alle betrifft‘, schimmern lässt, dass dieses Leid auch dem eigenen Leib nicht allzu fern sein muss. Denn nicht nur Wohnungslose oder Adressat*innen der akzeptierenden Drogenhilfe erscheinen möglicherweise in der krisenbedingten Verknappung von finanziellen Ressourcen als irrelevant, sondern auch die damit verbundenen Angebote der Sozialen Arbeit. Autoritärer Etatismus im Neoliberalismus (Kannankulam 2008) reloaded heißt dabei Ausschließung als neue Form der Naturbeherrschung, deren Rationalität jetzt, wo erste und zweite Natur vermeintlich in eins fallen, das Soziale mit gleicher mathematischer Genauigkeit vermisst wie die politische Steuerung mittels des Inzidenzwerts die Infektionszahlen einzuhegen versucht. Neu ist dabei nicht die Logik, sondern der Wegfall ihrer Legitimationsnotwendigkeit.

Dies bringt uns abschließend zur Ausgangsfrage zurück, nämlich was wir angesichts einer Krise, deren Ende noch immer nicht in Sicht und deren Ausmaß an Traumata und kollektiv angestauten Aggressionen noch längst nicht absehbar ist, überhaupt wissen, geschweige denn tun können. Theoretische Analyse und intervenierende Praxis fallen hier notwendigerweise auseinander, denn während man einerseits die Bedürftigen nicht schutzlos den Witterungs- und (falschen) ‚sozialen‘ Verhältnissen ausliefern kann, ist das Nachdenken über das Theorie-Praxis-Verhältnis wiederum im Vollzug einer kritisch intendierten Praxis kaum möglich. Kritische Intellektuelle lösen ihr Unbehagen, das häufig von der Einsicht herrührt, dass ihre Kritik wie ihre Selbstzweifel in ihrer systemischen Irrelevanz wiederum überaus systemrelevant sein könnten, gern durch den Rückzug auf Adornos vermeintliche Praxisferne und den Balsam aus seiner Flaschenpost-Metapher auf. Demgegenüber ist die narzisstische Kränkung jener, die etwa als kritische Streetworker in der Kälte unmittelbar mit dem Leid an den Verhältnissen konfrontiert sind, ungleich schwerer auszuhalten. Sie gehen einer systemrelevanten Erwerbstätigkeit nach, deren Ambivalenz sie tagtäglich am eigenen Leib spüren, um dann, in Abspaltung von der Lohnarbeits-Identität, sich unbezahlt in Gesellschaftskritik zu üben, die für sie nicht nur Gedankenspielerei ist, sondern in der Praxis zur unmittelbaren, gar leiblichen Erfahrung wird. Zwei bei Adorno entlehnte Gedanken, der Begriff der Intervention wie auch das viel (und oft falsch) verwendete Nichtidentische, könnten hier im negatorischen Sinne der Verweigerung zumindest temporäre (Haltungs‑)Perspektiven aus diesem ausweglos erscheinenden Widerspruch bieten. In seiner Aphorismensammlung Richtig falsch versucht Michael Hirsch (2019), eine Ausflucht aus dem Theorie-Praxis-Dilemma zu finden. Er verbindet die unnachgiebige Kritik am Bestehenden im inflationär zitierten Diktum Adornos, es gebe kein richtiges Leben im Falschen, mit einer Wendung auf die alltägliche Praxis, in der so zu handeln wäre, „als ob es tatsächlich auf mich ankäme“ (ebd., S. 152, Hervorh. i. O.). Diese intervenierende Als-Ob-Haltung würde allerdings versuchen, einen zentralen Gedanken aus der Negativen Dialektik (Adorno 2003d) einseitig aufzulösen, ginge sie davon aus, dass das eigene Handeln de facto eine Systemtransformation bewirke. Eine kritische (sozialpädagogische) Praxis müsste demgegenüber einerseits erprobt werden im Bewusstsein der eigenen, systemischen Irrelevanz und der Unmöglichkeit einer umfassenden Transformation, also darüber, dass sich allein durch sie keine transformatorische oder gar revolutionäre Situation herstellen lässt. Zugleich weiß sie, dass ohne falsche oder bestenfalls kritische Praxis Gesellschaftskritik unmöglich wäre, da ihr der Gegenstand fehlte. Andererseits muss sich solche Praxis stets im Bewusstsein halten, dass jedes Eingreifen auch dazu beitragen kann, dass sich der kritisierte Zustand noch verschärft. Sie muss bereit sein, die (auch sozialpädagogisch) entfachte Wut wieder zu zügeln, gegebenenfalls sogar dem frei galoppierenden Ressentiment intervenierend die Beine zu stellen. „Wer denkt, ist in aller Kritik nicht wütend: Denken hat die Wut sublimiert“ (Adorno 2003c, S. 799). Selbst wenn die Wut der Adressat*innen Sozialer Arbeit gegen ‚die da oben‘ oder gegen noch weniger Privilegierte aus einer sozialpädagogischen Perspektive zunächst noch nachvollziehbar erscheint, kann sie ihrem Inhalt nach niemals akzeptierbar sein, sondern ist als Resultat einer Zurichtung des Individuums durch dieses System zu verstehen. Hier erst setzt Gesellschaftskritik an, die über das reformatorische Verständnis für Systemzwänge hinausgeht. In diesem Sinne ein Plädoyer für systemische Irrelevanz zu formulieren heißt, im Modus des societal distancing am theoretischen Denken, das die krisenzyklisch reanimierten Begriffe kritisch prüft, gleichermaßen festzuhalten wie am Mut zur Selbstdistanzierung, welcher auch in der Corona-Krise dem eigenen Unbehagen an der zweiten Natur, dem ‚Sozialen‘, nachzuspüren vermag, ohne dieses Unbehagen blindlings durch transformatorische Praxis auflösen zu wollen. Ganz im Sinne einer kritischen Gesellschaftstheorie ist über das Erkenntnisvermögen zum Verhältnis von Individuum und Gesellschaft am Beispiel der Sozialen Arbeit dabei allerdings wenig Neues gesagt: Distanzminderung ist auch keine Lösung.

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