Mikrozensus in Sachsen
Wer in Sachsen wohnt und Pech hatte, erhielt in den letzten Monaten Post vom Landesamt für Statistik. Darin wurde er/sie aufgefordert – wobei diese Formulierung einem Euphemismus gleich kommt, wie sich im weiteren Verlauf noch zeigen wird – am sogenannten Mikrozensus teilzunehmen.
Dabei handelt es sich um eine Umfrage der besonderen Art, die sich von den allermeisten anderen dadurch unterscheidet, dass man, nachdem man das erste Anschreiben wie üblich im Altpapier entsorgt hat, einige Zeit später ein weiteres erhält, das einen darauf hinweist, dass man gezwungen ist an ihr teilzunehmen. Eine kurze Internetrecherche ergibt dann, dass es keine Möglichkeit gibt, sich dagegen zu wehren. Alle Klagen dagegen wurden letztinstanzlich vor dem BVerfG abgewiesen. Wer sich in den letzten Jahren weigerte den Fragebogen auszufüllen, wurde zu Zwangsgeldern verurteilt, die bis zur Pfändung vollstreckt werden. Das Zahlen eines Zwangsgeldes führt gleichsam nicht dazu, dass man von der Handlung befreit wird, sondern wird so oft erhoben, bis man ihr nachkommt. Dabei wird zwar zu Hauf betont, dass die Daten anonymisiert werden. Ohne hier Verschwörungstheorien Vorschub zu leisten, fragt man sich dann doch irgendwann, wieso so viel Wert darauf gelegt wird, sämtliche Personen im Haushalt mit Klarnamen und Geburtsdatum anzugeben.
Spätestens ab dieser Stelle kann sich ein durchaus unangenehmes Gefühl breit machen. Ohne, dass es irgendeine Möglichkeit gibt, sich dem zu entziehen kommt der Staat auf die Idee, Menschen darüber auszufragen, mit wem sie zusammen wohnen, wieviel sie in letzter Zeit gearbeitet haben und wenn gar nicht, wieso. Wenn man darüber keine Angaben machen will, bedeutet das in endgültiger Konsequenz den finanziellen Ruin. Hinzu kommt, dass man es explizit beantragen muss, die Fragen selbst auf einem klassischen Fragebogen zu beantworten, am liebsten würde das Landesamt für Statistik nämlich einen speziell ausgebildeten und geschulten Freiwilligen in jede Wohnung schicken, weil es dadurch, so die Argumentation in den beigelegten Info-Broschüren, für alle viel einfacher und schneller ablaufen würde.
„Vater Staat will sicher nur das Beste“
Die Frage, von welcher Blockwartmentalität man beseelt sein muss, um sich für so einen, wohlgemerkt unbezahlten, Job freiwillig zu melden und so seine Freizeit zu gestalten, mal beiseitegelassen, stellt sich vor allem folgende: Wieso gab und gibt es gegen einen solch massiven Eingriff in die Privatsphäre so wenig Widerstand? Wohlgemerkt in dem Land, das sich wie kaum ein anderes vor den Gefahren der „Datenkraken“ Google, Amazon und Facebook fürchtet, deren Dienste zu nutzen und ihnen seine Daten zu übermitteln niemand gezwungen wird.
Es ist schon ein sehr deutsches Phänomen in einer Zeit der höchsten Aufregung über NSA und Verfassungsschutz mit völliger Gelassenheit und Desinteresse zu reagieren, wenn der Staat einen ehrenamtlichen Helfer in die eigene Wohnung schickt, um Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu erkunden.
Wie repressiv oder unsinnig eine Maßnahme auch ist, in Deutschland macht man sie den Menschen am besten schmackhaft, indem man sie mit einem netten Gesicht besetzt. Merkel kann noch so orientierungslos und willkürlich durch die politischen Verwirrungen der letzten Jahre schlittern, irgendetwas an dieser Frau scheint den Menschen Sicherheit zu vermitteln und damit sind sie zufrieden, was dabei herauskommt ist höchstens zweitrangig. Ist der Mikrozensus auch noch so ein offensichtliches Gewühle in der Unterwäscheschublade, wenn eine nette alte Frau vorbeikommt um intimste Details zu erfragen, kann es schon nicht so schlimm sein und selbst der Verfassungsschutz wäre die Lieblingsinstitution aller BundesbürgerInnen, würde Karl Theodor von und zu Guttenberg das Ruder in die Handnehmen.
Angst dagegen machen die gesichtslosen Konzerne. Wer ist schon dieser Google? Und um die Angst durch Hass und das Gefühl der Kontrolle in der Gegnerschaft zu etwas, besser jemanden, aufzulösen, werden diese eben mit alten, mächtigen Männern gleichgestellt. Und gegen die kann man dann auch Demonstrieren, Vater Staat dagegen will sicher nur das Beste. Nämlich wissen, wie viele Studienplätze geschaffen werden müssen, wie viele Parkplätze benötigt werden. Mit solchen und ähnlichen Aussagen sollte vor einigen Jahren der bundesweite Zensus schmackhaft gemacht werden. Stand man vor diesen Plakaten hatte man teilweise das Gefühl, in Deutschland würde nicht etwa eine Gesellschaftsform bestehen in der Kapital und Eigentumsrechte darüber entscheiden, wie viele Parkplätze es vor einem Geschäft gibt, sondern eine Planwirtschaft.
von Fabian Herbholzheimer