Staaten sind statisch – Gedanken zum Kampf gegen den IS

Al-Quadia, so sind sich beinahe alle Berichte über den Islamischen Staat einig, hat seine Führungsrolle in der Welt der islamistischen Terrorgruppierungen an eben diesen verloren. Das Ziel, einen auf religiösen Interpretationen aufbauenden Herrschaftsapparat zu errichten, hätte Al Quadia zwar jahrelang verfolgt, aber nie erreicht. Umso düpierender demnach, die Geschwindigkeit in welcher ein solcher Staat nun in Irak und Syrien errichtet wurde.
Was in einer solchen Betrachtung als großer Vorteil des IS gegenüber Al-Quaida gesehen wird, beginnt sich gerade als dessen größter Nachteil zu erweisen. Auch wenn es in deutschen Medien zum guten Ton gehört, dass man den Islamischen Staat nur in Anführungszeichen schreibt, als sei es keine Selbstbezeichnung, sondern bestünde allein durch das Annehmen des Namens eine Gefahr für das westliche Verständnis eines gerechten und demokratischen Staates, erfüllt der IS doch zumindest die weitgehend akzeptierten Minimalbedingungen eines Staates von Territorium, Gewaltmonopol und beherrschter Bevölkerung. Diese Tatsache zu verkennen oder gar zu leugnen ist nicht nur falsch, sondern macht es zudem schwierig, den IS in seiner Struktur zu begreifen und somit erfolgreich zu bekämpfen.
Der IS lässt sich durch seine Institutionalisierung als Staat auf Regeln ein, nach denen er unter bestimmten Voraussetzungen nur verlieren kann. Im Gegensatz zu vielen Aktionen von Al-Quaida geht es nicht darum beispielsweise Ölraffinerien zu zerstören, es geht darum sie zu besetzen und zu nutzen. Hauptstädte und Orte der Verwaltung werden nicht nur angegriffen und zerstört, sondern es werden eigene, auch lokal gebundene Verwaltungen errichtet. Gerade auf militärischer Ebene bedeutet das weitgreifende Änderungen. Es bedeutet nämlich, dass diese Orte der Verwaltung oder Ölraffinerien angegriffen werden können und somit dem IS geschadet werden kann, der auf sie als Organisationsstruktur oder Einnahmequelle angewiesen ist. Es handelt sich nicht um einzelne Zellen, die Anschläge durchführen, um sich danach wieder zurückzuziehen und somit ändern sich auch die Möglichkeiten der Bekämpfung
Zwar ist der IS nach den ersten erfolgreichen Luftangriffen zunehmend davon abgerückt, seine Fahrzeuge medienwirksam schwarz zu lackieren und in großen Konvois fahren zu lassen, aber noch immer werden eroberte Gebäude und Stellungen mit der eigenen Fahne markiert und so zu deutlich erkennbaren Zielen. Ein von der irakischen Armee erbeuteter Panzer ist ein eindeutigeres Ziel, als ein mit Kämpfern besetzter Kleinbus. Diese Ausgestaltung eines Staatsapparates und leichter identifizierbaren Militärs macht den IS völlig anders angreifbar als Al-Quaida-Gruppen vielerorts auf der Welt. Der Schritt in Richtung eines immer auch statischen Staates mit mehr oder weniger stehendem Heer und mehr oder weniger klaren Frontlinien ist auch ein Schritt in Richtung konventioneller Kriegsführung und damit auf ein Terrain, das die meisten Staaten, die gegen den IS kämpfen, wesentlich besser beherrschen, als stark asymmetrische Kriegsführung und Terroranschläge.
All das soll die Bedrohung durch den IS nicht kleinreden. Im Gegenteil, sollte es tatsächlich gelingen den Islamischen Staat zu zerschlagen ist mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die verbliebenen Zusammenhänge wieder zu einer auf Guerilla-Attacken und Terroranschlägen basierenden Strategie übergehen werden, der wahrscheinlich schwerer zu begegnen sein wird.
Genauso wenig soll hier eine frohe Botschaft verstanden werden, wie der Kampf gegen Terror an jedem Ort und in jedem Fall zu führen sei. Die Situation im Irak und Syrien ist eine besondere und das aus vielen Gründen von denen hier nur einige genannt werden sollen. Die Luftangriffe der ausländischen Staaten wären wohl sinnlos, gäbe es nicht mit den Kurden eine verhältnismäßig gut organisierte, ausgebildete und vor allem motivierte Konfliktpartei, welche die nötigen „boots on the ground“ brächte. Ob es die ausgehnten Luftschläge überhaupt gäbe, würde der Irak nicht aus den verschiedensten Gründen ein Ort weltweiter Interessen sein, bleibt auch fraglich. Wirft man einen Blick auf andere Konflikte, in denen islamistische Gruppen eine territoriale Ausdehnung erreicht haben, wie etwa Somalia, und betrachtet die geringe Anzahl der Luftschläge dort, möchte man allerdings zu einem Nein tendieren.
Was bleibt ist allerdings eine nicht völlig unrealistische Hoffnung, dass in nicht allzu ferner Zukunft viele Menschen davon befreit werden, dauerhaft in einem so unmenschlichen System wie dem des IS aufzuwachsen und leben zu müssen.

von Fabian Herbolzheimer

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