„The thought that I might for one moment abandon you is pure fantasy. You remain my most intimate friend, as I hope I remain yours. -K. Marx. P.S. – Your old man is a pig, to whom we shall write a swinish letter.“
Marx to Engels in Lausanne, 1848
Jesus hatte keine Freunde, starb er doch für die Freundschaft an und für sich. Montaigne hatte einen ganz besonderen Freund. Heute jedoch ist jede einer jeden Freundin. Dem tragischen Helden in Emmanuel Boves Roman würde es wohl deutlich leichter fallen, der Einsamkeit zu entfliehen. Aber Intimität, Geheimnis und Vertrautheit der aristotelischen Tugendfreundschaft haben sich dem Tauschprinzip zu beugen. Freundschaft korrumpiert. Es verbleiben nur kümmerliche Reste ihrer selbst. Allein der inflationär betriebene Gebrauch des Begriffs ‚Freundschaft‘ im digitalen Zeitalter, kündet vom Verfall seiner Bedeutung, wo doch jeder hinlänglich weiß, dass es im Grunde um das eigene Netzwerk, um die Nutzenfreundschaft, geht.
Die Positivisten sprechen allzu unaufgeregt vom Heil der ‚differenzierten Freundschaft‘ und machen sich einmal mehr der Verteidigung des Bestehenden schuldig. Wer sich diesem modus vivendi entzieht, hat zwar die Erkenntnis der Distanzierten, wird jedoch mit Einsamkeit gestraft. Die Reaktionären suchen ihr Heil und den Schutz vor gesellschaftlicher Kälte in der Anbetung der Familie, des Kollektivs sowie niederer Vergemeinschaftung patriarchaler Provenienz; sie wussten schon immer, dass es ‚früher doch besser war‘. Die Progressiven hingegen betreiben – trotz allem Wohlwollen – die stetige Verfeinerung des stahlharten Gehäuses. Eine erst noch zu antizipierende Vergesellschaftung hätte alle drei zu verachten und einzufordern, sich endlich aus dem Zustand der Vorgeschichte zu erheben.
Eine solche hätte Kollektiv wie Robinson gleichermaßen auf den Müllhaufen der Geschichte zu verbannen. Aber dazu wäre zumindest eine Renaissance der politischen Freundschaft von Nöten. Dagegen vom Ende der Geschichte zu sprechen, erscheint auch weiterhin wohlfeil und schal zugleich. Jedoch: Ab und an steht der Fluss der rastlosen Unvernunft und kündet von einem möglichen Vorschein auf etwas anderes; vom beinahe hoffnungslosen Widerstand gegen die Totalität des Tauschs und vom Schimmer einer nahezu unmöglich gemachten Spontanität. Marx und Engels sahen eine solche mitunter in der Liebe zwischen sich anschauenden Subjekten.
Allerdings sind es gar nur Augenblicke sich freundschaftlich und zärtlich verbundener Menschen, die in derartiger Negativität hin und wieder das aufwiegen können, was das falsche Ganze auszutreiben sucht. Bloß allerlei Alltag und die stetig drohende Deprivation für solch kurze Momente zu zerfetzen, ist das romantische Geschenk der Freunde – ähnlich dem der Liebe. Dass es mit derlei Romantik jedoch vorbei ist, können nur Diejenigen erahnen, die einen Sinn dafür haben, was es mit solch absurdem Habitus in der radikal entzauberten Welt noch auf sich hat. Alle ins Subjekt eingehämmerte Ironie zerfetzt jedoch allzu schnell jenen Vorschein und damit zugleich den platonischen Schutz vor Deprivation.
von Mathias Beschorner